1. Pfleget eure Schönheit!
Hegt ihr die Reben liebevoll,
dann sprudelt guter Wein.
Wenn ihr den Acker gut bestellt,
sprießt hoch die Saat.
Pfleget eure Schönheit, die vergeht!
Schönheit ist Geschenk und Gabe Gottes.
wenige rühmen sich ihrer.
Schönheit ist wohl einigen verwehrt geblieben
Einigen ist sie gänzlich versagt, einigen
ist die äußere Schönheit nicht gegeben.
Sorgfalt aber kann euch Glanz verleihen,
ohne sie welken die Reize.
Nachlässigkeit tötet eure Reize,
selbst wenn ihr wärt an Schönheit gleich
der Göttin Aphrodite.
Ich hab' ein Mädchen geseh'n, das sich zum Schmucke pflückte
roten Mohn,
der im Weizen blühte.
In klarem Wasser geweicht,
roten Mohn auf die Wangen bleich
legte sich auf.
Schönheit ist Geschenk und Gabe Gottes,
eines der Geschenke, die
ein Gott dem Menschen hat verliehen.
2. Lernet wohl, ihr Mädchen,
täglich euer Antlitz zu pflegen,
und wie die Schönheit
lange erhalten euch bleibt!
Ihr wißt geschickt
mit Schminke euer Gesicht zu färben,
die von Natur nicht blühet,
blühet durch Kunst.
Voll Kunst verberget ihr
niedlich der Augenbrauen Lücke,
ein kleines Pflaster klebt zierlich
auf eurer Wange.
Künstlich verbergt ihr,
künstlich ersetzt ihr,
was immer euch nur fehlt
Schämet der Kohle euch nicht,
wenn ihr eure Augen untermalet
und Safran auch verwendet,
aus fernen Ländern beschafft.
Lernet wohl, ihr Mädchen, ....
Sorget, daß die Schminktöpfchen
euer Liebster nicht entdecke;
insgeheim gebraucht die Schminke!
Früh wenn du dich putzest,
erwecke den Anschein, daß du schliefest,
lieber seh'n wir dich vollendet erscheinen.
Was hilft's mir, wenn ich weiß,
wodurch deine Wangen so bleich sind?
Schließe die Tür zum Schlafgemach!
Wer liebt ein unfertig Werk?
Lernet wohl, ihr Mädchen, ....
3. Es ist Anmut, die man schätzet,
drum sei euer Haas wohlgeordnet;
eure Hand gibt ihnm Form,
wie ihr's macht, liegt bei euch.
Vielerlei ist die Form der Haartracht,
drum wählet die, die euch gut steht,
doch zuvor soll jede
ihren Spiegel befragen.
Wenn einer die Haare
locker das Gesicht umrahmen,
dann stehen der and'ren
gebundene Haare.
Ist rund euer Antlitz,
sei das Haar vorne recht hoch gekämmt,
geflochtene Knoten
können zierlich die Stirn krönen.
Einer gefällt es,
sich die Haare zu kräuseln;
wer besitzet der Locien Pracht,
laß' sie gleich dem Wasserfall
von den Schlutern niederfließen.
Nachlässiges Haar
mag vielen auch gut stehen.
Oft glaubst du, die Frisur ist seit langem,
seit gestern getragen,
gekämmt ist es doch heute.
Frauen wissen ergraute Haare
mit Säften auf blond sich zu färben;
selbst die eigen Farbe ist gut nicht genug.
Frauen zeigen sich oft mit üppigem Haar,
das von Fremden gekauft war.
Man kann gar nicht sagen,
was mit Haaren man noch machen kann.
Als eure Belohnung streichelt der Liebste
euch zärtlich die Wange.
4. Eitel ist die Schönheit, wenn's
an Güte des Herzens euch mangelt.
Wo euer Wesen gewinnend ist,
gefällt auch das Antlitz.
Stetig ist die Liebe,
doch das Alter verwüstet die Schönheit;
selbst das schönste Antlitz
wird von Runzeln durchpflügt sein.
Doch die Zeit kommt,
da In-den-Spiegel-blicken wehe tut.
Doch die Zeit kommt,
da ein zweiter Grund
für Falten wird sein die Wehmut.
Doch die Zeit naht.
Eitel ist die Schönheit, ...
Güte, eure Güte die verbleibet euch
und schwindet auch nie mehr,
zu ihr strebet unentwegt, so lange ihr lebt
Liebe für alle Zeit.